Fragezeichen bei Evotec bleiben
Kaum war die erste Übernahmeofferte durch den Hedgefonds Triton in Hamburg bei der Evotec eingegangen, meldete sich kurz darauf das US-amerikanische Unternehmen Halozyme Therapeutics mit einem noch viel konkreteren Angebot und einem echten Kaufpreis. Je 11 Euro pro Aktie liegen seither auf dem Tisch. Vorstand und Aufsichtsrat von Evotec wollen dies genauer analysieren. Wie geht es nun weiter?
Als wäre nicht gerade so etwas wie ein bisschen Ruhe eingekehrt in Hamburg am Manfred-Eigen-Campus, wo Evotec den Hauptsitz hat. Die Neunmonatszahlen waren zwar kein Grund für ausgelassene Partystimmung, aber auch kein totaler Partycrasher. Die durchaus hohen Umsatzerlöse von rund 575 Mio. Euro (ein Rückgang zum gleichen Zeitraum 2023 von rund einem Prozent; damals rund 580 Mio. Euro) werden zum Großteil aus dem Bereich der Partnerprojekte erzielt (rund 447 Mio. Euro) und zu einem wachsenden Anteil aus der hochautomatisierten Produktionsumgebung der Just-Biologics-Standorte von Evotec (rund 127 Mio. Euro). Beides spricht für eine hohe Marktakzeptanz und -relevanz der Technologieplattformen, die Evotec in solche Partnerschaften einbringen kann. Langzeitpartner Bristol Myers Squibb (BMS) hat schon allein einen hohen dreistelligen Millionenbetrag an Meilensteinzahlungen nach Hamburg überwiesen und erst kürzlich die Partnerschaft um viele weitere Jahre verlängert.
Die Attraktivität dieses Geschäftsmodells, von dem einige Branchenbeobachter sogar sagen, es sei das ureigene Biotechnologie-Geschäftsmodell und von Evotec hervorragend umgesetzt, hat sich nun wohl wegen der niedrigen Unternehmensbewertung bis in Hedgefondskreise herumgesprochen. Wenn nicht sogar der Kursniedergang durch eine ganze Reihe von Leerverkaufsattacken als Einleitung einer solchen geplanten Übernahme angesehen werden kann. Die Leerverkäufer nutzten die Kursschwäche nach dem überraschenden Abgang von CEO Werner Lanthaler im Januar und die darauf folgende Zeit, einen neuen Chef suchen und finden zu müssen. Seither ist Evotec in arge Turbulenzen geraten, die der im Juli ernannte CEO Dr. Christian Wojczewski durch eine „Priority Reset“ genannte Strategie der Umstrukturierung beenden will. Evotec müsse von den hohen Kosten herunter und sich von Standorten und einigen Mitarbeitern trennen, rief er alsbald als neue Devise aus. In den vergangenen Wochen folgten konkrete Taten. Für Beobachter schien die Bodenbildung des Kurses damit eine ausgemachte Sache. Neue Hoffnung, die sich durchaus auf die tragenden Säulen der Partnerschaften und des neuen Produktionsgeschäftes stützt, keimte und gerade die Partnerschaft mit BMS brachte weiterhin regelmäßig zweistellige Millionen-Meilensteine in die Kasse.
In eine sich leicht aufhellende Stimmung traf nun Mitte November überraschend die Mitteilung vom Hedgefonds Triton, dass man etwa 10% Anteilseignerschaft erworben habe und dies als Basis nehmen werde, eine komplete Übernahme des Unternehmens anzugehen. Das dürfte die anderen großen Anteilseigner des Unternehmens, Novo Nordisk und den Staatsfonds aus Abu Dhabi, Mubadala Investment, die bei wohl je rund 8% Anteilen liegen, nicht erschreckt haben. Dass mit diesem Angebot zum Karnevalsauftakt aber eine „närrische“ Woche bei Evotec eingeläutet werden sollte, konnte da noch niemand ahnen. Doch genauso kam es: am Donnerstagabend meldete das Handelsblatt aus „gut unterrichteten Kreisen“, dass in Hamburg ein Kaufangebot der US-amerikanischen Halozyme Therapeutics eingegangen sei. Diese biete je 11 Euro pro Aktie und bewerte damit das Unternehmen mit rund 2 Mrd. US-Dollar, einem Aufschlag von rund 20 Prozent zum aktuellen Kurs der Aktie. Noch in der Nacht meldete Evotec selbst, dieses Angebot erhalten zu haben, ohne dass dazu vorher eine Information zum Ansinnen beim Unternehmen eingegangen sei. Ab Freitagmorgen sah damit die Welt für Evotec plötzlich ganz anders aus: Ein Bieterwettstreit steht nun im Raum, in dem sich die bisherigen beiden Kaufinteressenten womöglich gegenseitig anstacheln oder es sogar weitere Interessenten auf den Plan rufen könnte, was sich da gerade in Hamburg abspielt.
Für das Unternehmen selbst ist ein Wettbieten um die Gunst der Aktionäre nicht einmal das schlechteste Szenario, um von der bisher schlingernden Fahrt in diesem Jahr etwas abzulenken. Die Analysten waren sich schon bei der Präsentation der Neunmonatszahlen nicht so recht einig, ob sie diese als positiv oder eher als enttäuschend einstufen sollten. Mit der Übernahmephantasie sind diese Analysen alle Makulatur. Jetzt gilt es für die Unternehmenslenker zu bewerten, wo eigentlich der realistische Preis für eine Übernahme angesiedelt sein sollte und auch zu überlegen, ob die Übernahme überhaupt zur eigenen Strategie passt. Also prinzipiell. Hier spielen Aktionäre und Aufsichtsräte eine entscheidende Rolle. Die einen könnten durch den lange schwächelnden Kursverlauf auch allmählich die Geduld verloren haben und eine Übernahme zu einem halbwegs akzeptablen Preis auch deswegen mitmachen, um keine weiteren Turbulenzen mehr erleben zu müssen. Die Aufsichtsräte und Vorstände könnten eine Übernahme als attraktiv ansehen, solange es auch für die Führungsebene entsprechende Boni gibt, die man im Alltagsgeschäft und bei den Mühen der Strategieumsetzung nur in geringerem Umfang und auf eine sehr viel längere Strecke gerechnet erhalten könnte, wenn überhaupt.
Auf all diese Fragen gibt es derzeit noch keine Antworten, vielleicht auch bewust, weil jede Art von Statement nun auch immer als nur eine weitere Runde im laufenden Pokerspiel betrachtet und vom Umfeld in zig Richtungen interpretiert werden kann und werden wird. Ob reines Aussitzenwollen jedoch als Strategie reichen wird, ist eine andere Frage.